Wirtschaft ist Care – ein Ansatz der auch Caring Communities berührt

23.06.2025

Beim Online-Stammtisch am 23. Juni 2025 um 17 Uhr diskutierten 17 Personen mit den Gastgeberinnen Gaby Belz und Ina Praetorius vom Verein «Wirtschaft ist Care», was wir eigentlich unter «Wirtschaft» verstehen und welche prominente Rolle Care darin spielen sollte. Der darauf folgende Austausch mit den Teilnehmenden brachte uns in diesen wichtigen Fragen weiter.

Einführung in Wirtschaft ist Care
Mit den Gastgeberinnen Gaby Belz und Ina Praetorius näherten wir uns dem Thema Wirtschaft ist Care von verschiedenen Seiten an:

  • Der Verein nennt sich bewusst nicht Care ist Wirtschaft, da dies selbstverständlich ist. Im Zentrum des Wirtschaftsverständnisses steht immer die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.
  • Wirtschaft ist Care richtet den Blick aufs Ganze und darauf,  wie es mit dem zusammenhängt, was alle täglich tun und worauf sie angewiesen sind. Z.B. die Fragen, warum 40% der gesellschaftlich geleisteten Wertschöpfung (Care-Arbeit) in den Wirtschaftsstatistiken nicht sichtbar sind?
  • Wichtig ist dabei, dass nicht nur die Schwachen auf Care-Leistung angewiesen sind, sondern die gesamte Bevölkerung.
  • Auch ist auffällig, dass im Bereich der Wirtschaft alles, was man unter Care-Arbeit versteht, als das Soziales bezeichnet (in der Regel Frauenarbeiten) und alles, was Männer tun, als Wirtschaft.
  • Diese Ungleichgewichte versucht Wirtschaft ist Care aufzubrechen.

Anregende Diskussionen beim Stammtisch
In der Diskussion kamen verschiedene Überlegungen, Erfahrungen und Praxisbeispiele zu Wort:

  • Eine Kirchgemeinde unterstreicht bisher explizit, dass sie nicht wirtschaftlich denken muss und meint damit das Finanzielle. Unter dem Aspekt des offenen Wirtschaftsverständnisses müsste sie aber eigentlich unterstreichen, dass sie wirtschaftlich denkt, gerade weil sie auf die Bedürfnisse der Beteiligten fokussieren.
  • Wichtig ist in der Diskussion, dass es nicht um Care als Wirtschaftszweig geht. Care ist eine Dienstleistung, ein Dienst an der Gesellschaft. Care ist auch keine Frauenfrage, sondern eine Frage für die Menschheit. 
  • Es braucht etwas Ideologiekritik, das kann Theoriearbeit leisten. Grundlagen werden hinterfragt: Wie werden Güter verteilt, wie wird dafür gesorgt, dass genügend Güter/Dienstleistungen für alle da sind? Heute ist die Konkurrenz zum Hauptbestandteil der Wirtschaft geworden, nicht mehr das Ziel des Wohlergehens für alle und die Kooperation. 
  • Was bringt uns der Ansatz Wirtschaft ist Care für die Praxis? Der erste Schritt ist, dieses Verständnis in allen unseren Tätigkeiten mitzutragen.
  • Für die Praxis gibt es zwei interessante Tools auf der Website von Wirtschaft ist Care: Das erste Tool ist der Spaziergang in Sursee. Die Idee ist, einmal durch die eigene Gemeinde zu laufen oder die Umgebung zu beobachten, wo überall Care drin ist. https://wirtschaft-ist-care.org/kein-spaziergang/ 
  • Ein weiteres interessantes Tool ist das biografische Tagebuch, um im eigenen Kosmos festzuhalten, was das für mich selber heisst, in meiner Realität, in meiner Umgebung. https://wirtschaft-ist-care.org/meine-care-biographie/
  • Ein gutes Beispiel für den Ansatz ist die solidarische Landwirtschaft: Konsumierende wirtschaften zusammen mit den Produzierenden, Care gehört genauso dazu wie auch der Akt der Produktion. Die Arbeit wird in Portionen aufgeteilt und alle Beteiligten nehmen sich 5 Portionen im Jahr. So ist mit Freiwilligen ⅔ der Arbeit im Jahr abgedeckt. Ziel sind nicht billige Arbeitskräfte, sondern der Aufbau von nachhaltigen landwirtschaftlichen Strukturen (mit fairen Entlöhnung und gemeinschaftlicher Verantwortung). Wenn wir zusammenarbeiten, ist es ein Gewinn für alle. 
  • Ausserhalb der menschlichen Gemeinschaft sind auch alle Lebewesen, also Tiere, Pflanzen und Elemente, auf einen sorgfältigen und würdevollen Umgang durch uns Menschen angewiesen. Wir sollten uns bewusst sein, dass wir täglich von ihnen abhängen.

Wir suchen weitere Gastgeber:innen für einen Stammtisch
Der Stammtisch ist ein Format im Netzwerk Caring Communities, das in regelmässigen Abständen stattfindet. Haben Sie ein Thema, das Sie mit anderen Personen diskutieren möchten? Dann melden Sie sich bei Fanni Dahinden. Wir unterstützen Sie dabei, stellen die Technik sicher und bewerben den Stammtisch. Sie sind Gastgeber:in, alleine, zu zweit oder zu dritt, Sie wählen ein Thema und auch Termin und Zeit. Und vielleicht überlegen Sie sich eine Einstiegsfrage. Die Erfahrung zeigt, dass an einem Stammtisch immer schnell eine Diskussion in Gang kommt. Wir freuen uns auf viele Stammtische, vielfältige Themen und gute Diskussionen.

Mehr zum Thema
Ina Praetorius, Wirtschaft ist Care, in: Robert Sempach, Christoph Steinebach, Peter Zängl (Hrsg), Care schafft Community - Community braucht Care, Cham (Springer Verlag) 2023, 95-106

«Wirtschaft neu ausrichten. Care-Initiativen in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz»», Uta Meier-Gräwe, Ina Praetorius, Feline Tecklenburg (Hrsg.)

https://www.economy-is-care.com/

https://karwoche-ist-carewoche.org/

https://fairsorgen.at/

https://www.bosch-stiftung.de/de/projekt/wirtschaft-ist-care-0

https://globalallianceforcare.org/en/

https://wirtschaft-neu-ausrichten.org/

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