Jahrestagung 2023: «Gemeinsame Wege entstehen, indem wir sie gehen.»

04.12.2023

Wer ist das ICH, wenn wir vom WIR sprechen? Mit dieser philosophischen Frage beschäftigten sich rund 200 Vertreterinnen und Vertreter von Caring Communities, Gemeinden und Organisationen an der Jahrestagung 2023 des Netzwerks Caring Communities. Die nationale Veranstaltung fand gleichzeitig in Bern, Lausanne und Manno statt. Nach inspirierenden Inputreferaten und lebendigen Workshops war der Tenor klar: «Gemeinsame Wege entstehen, indem wir sie gehen.» Wir danken allen Teilnehmenden fürs Dabeisein und ihre wertvollen Beiträge!
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Die bis auf den letzten Platz ausgebuchte Jahrestagung 2023 war international aufgestellt: Ina Schmidt aus Hamburg, Ennio Ripamonti aus Mailand und Brigitte Brun aus Neuchâtel brachten Inputs aus Philosophie, Soziologie und Praxis mit und machten sich gemeinsam mit dem Publikum Gedanken, wie wir von guten Vorsätzen ins Tun kommen können.

Moderiert wurde die Tagung von Christiana Brenk.

Hier eine kurze Zusammenfassung der Referate am Morgen:

  • Cornelia Hürzeler, Gesamtleiterin des Netzwerks Caring Communities, begrüsste die Teilnehmenden mit einer Analogie: dem «Carefant». Dieses Fabeltier zeigt, wie vielfältig Caring Communities sind. In einer individualisierten Gesellschaft spüren wir z.B. schmerzlich, wenn die Solidarität untereinander einbricht. Aber es gibt auch Chancen: Individuen können zu einer Co-Individualisierung finden und eine Gemeinschaft aufbauen, die auf den individuellen Stärken und Kompetenzen aufbaut. Die grosse Frage lautet: Wie können wir solche Gruppen bilden und das Feuer am Leben halten? Wie können wir dafür sorgen, dass Individuen mitmachen wollen und die Energie nicht verpufft? (zur Präsentation).
  • Die Philosophin Ina Schmidt von denkraeume in Hamburg sinnierte darüber, wie Menschen in einer individualisierten Gesellschaft ein neues Wir-Gefühl entwickeln können und gemeinsam die Zukunft gestalten. Sie ist überzeugt, dass in Zeiten von Unsicherheit, wie wir sie gerade durchleben, die menschliche Kooperation keine Option, sondern eine Notwendigkeit ist. Mit dem Satz «Gemeinsame Wege entstehen, indem wir sie gehen.» gab sie den Teilnehmenden der Tagung eine Weisheit mit auf den Weg, die so einfach zu fassen und doch so schwierig umzusetzen ist. Was es dafür braucht? Solidarität, gemeinsam an das Gute glauben, sich und anderen Sorge tragen und sich aktiv für den eigenen Weg entscheiden (zur Präsentation).
  • Ennio Ripamonti, Professor an der SUPSI und der Katholischen Universität Mailand, sprach darüber, wie verschiedene soziale Instanzen zusammenarbeiten können, um globale Probleme wie Armut zu bekämpfen und sich für die Integration, Gleichstellung und Stabilität einzusetzen. Er plädiert dafür, Gemeinschaften in «individualisierten» Gesellschaften (Freiheit vs. Einsamkeit), in «wettbewerbsorientierten» Gesellschaften (Wettbewerb vs. Kooperation), in «multikulturellen» Gesellschaften (Mixophobie vs. Interkultur) und in «ungleichen» Gesellschaften  (Ausschluss vs. Integration) zu fördern, die den Wandel schaffen und neue Gesellschaftsmodelle prägen (zur Präsentation).
  • Brigitte Brun, Alters- und Gesundheitsverantwortliche in Neuchâtel, sprach schliesslich über die drängende Frage der Alterspolitik. In Neuchâtel ist jede fünfte Person älter als 65 Jahre, etwa 5000 Personen sind über 75 Jahre. Viele davon sind sozial isoliert. Die Delegierte für ältere Menschen zeigte auf, welche Schritte Neuchâtel unternimmt, um Menschen aus der Isolation zu holen. Dazu gehören regelmässige Begegnungscafés in allen Stadtteilen, ein Tanzlokal, Veranstaltungen wie einen Cyber- oder Tanztee und Smartphone-Kurse. Sie und ihr Team sprechen Menschen direkt an, versenden ihnen Post oder rufen auch mal an. Sie unterstützen die älteren Menschen, aus der Einsamkeit herauszukommen und Teil einer Gemeinschaft zu werden (zur Präsentation). 
  • Mit kreativem Gespür und Witz hat Jonas Raeber den Vormittag illustrativ begleitet (zum Video).

Nach der Mittagspause haben die Teilnehmenden in Bern den musikalischen Gleichklang geübt. Unter der Leitung von Michael Bieler sind 133 Einzelstimmen zu einer Singing Community zusammengewachsen. Ein tolles Erlebnis, welches das Tagungsthema schön umgesetzt hat.

Am Nachmittag durchliefen die Teilnehmenden in Bern einen partizipativen Diskussionsparcours im Open Space, bei dem sie ihre eigenen Fragestellungen und Themen einbringen konnten. Gemeinsam entwickelten sie Ideen, Szenarien und Antworten. Hier entstanden viele spontane Begegnungen und neue Kontakte. Parallel dazu konnten die Teilnehmenden in den Praxis-Ateliers praktische Tools für eine gute Zusammenarbeit ausprobieren.

  • Nadine Oppenheim, zertifizierte LEGO© Serious Play Facilitator, zeigte zum Beispiel, wie Menschen beim Lego-Spielen kreative Ideen entwickeln und Gemeinschaft gestalten können. 
  • Jeremias Amstutz von der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW und sozialinfo.ch führte die Kraft des Design Thinking zur kollaborativen Lösung von komplexen Problemen und zur Entwicklung von neuen Ideen vor Augen. 
  • Karin Stuhlmann von B’VM Beratung zeigte anhand der «Pioneer Cards» Möglichkeiten auf, die Zusammenarbeit in der Caring Community oder im Team zu verbessern. 
  • Bei Heidi Kaspar, Co-Projektleiterin von CareComLabs, lernten die Teilnehmenden die Toolbox «Bausteine Sorgende Gemeinschaft» kennen und anwenden. 
  • Das Kommunikations-Atelier mit Petra Hieber, Partnerin bei advocacy AG, fokussierte auf das WARUM, damit die Botschaft einer Caring Community besser ankommt. 
  • Im Atelier mit Ina Schmidt lernten die Teilnehmenden mit dem «Circle of response» eine Methode kennen und anwenden, um das eigene Handeln zu reflektieren.

In Lausanne und Manno fanden ebenfalls Praxis-Workshops und ein Erfahrungsaustausch statt, abgerundet von einem Networking-Apéro.

Der 29. November 2023 war ein grosser Tag fürs Netzwerk Caring Communities: Die Gemeinschaft, die sich in den letzten Jahren geformt hat, wird immer schlagkräftiger. Der Wille und die Lust, zusammenzuspannen, Neues zu entwickeln und gemeinsam die Zukunft zu gestalten, war mit jeder Minute mehr zu spüren. Wir freuen uns, wenn die neuen Verbindungen, Kontakte und Ideen weiter spriessen und zurück im gewohnten Alltag auf fruchtbaren Nährboden stossen!

Danke an alle, die den Weg nach Bern, Lausanne und Manno auf sich genommen haben und zu einem lebendigen, inspirierenden Tag beigetragen haben! See you next year. :-)

PS. Die schönen Postkarten mit den Zitaten von Ina Schmidt und andere Materialien zum Weiterschenken können Sie hier kostenlos bestellen.

«Ethisch zu leben heisst, sich wohlwollend um die Welt zu sorgen.»
Ina Schmidt, denkraeume

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